Theresa hielt inne. Zwischen ihr und Alexander herrschte keine eheliche Harmonie, sondern eine distanzierte Arbeitsbeziehung:
„Herr Alexander, was gibt es noch?“
Alexander drehte sich zu ihr um und blickte in ihr reserviertes Gesicht. Sein Tonfall war befehlend:
„Setz dich.“
Theresa verstand plötzlich nicht mehr, was Alexander von ihr wollte.
Alexander kam auf sie zu.
Als er ihr immer näherkam, hatte Theresa das Gefühl, dass sich die Luft verändert hatte, sie schien dünner zu werden, schwerer zu atmen.
Theresa spürte Anspannung, aber auch eine Spur von Neugier.
Sie rührte sich nicht, doch Alexander ergriff ihre Hand von selbst.
Als seine warme Handfläche ihre berührte, zuckte Theresa zusammen, als hätte sie sich verbrannt. Sie wollte ihre Hand zurückziehen, doch Alexander hielt sie fest und ließ ihr keine Chance, sich zu entziehen. Er zog sie einfach zur Seite, runzelte die Stirn und fragte:
„Deine Hand ist verletzt. Hast du das etwa nicht bemerkt?“
Theresa war überrascht über Alexanders Besorgnis:
„Es ist nichts.“
„Deine Hand hat Blasen.“
Alexander fragte: „Warum hast du mir nichts gesagt?“
Theresa blickte hinunter auf seine große Hand, die gerade ihre Verletzung untersuchte.
All die Jahre hatte Theresa sich oft gewünscht, Alexanders Hand zu halten. Sie wollte Wärme spüren, jemanden, der ihr Orientierung gab.
Doch sie hatte nie die Gelegenheit dazu.
Nun, da Theresa sich entschlossen hatte loszulassen, gab Alexander ihr plötzlich einen Hauch von Geborgenheit.
„Es ist nicht schlimm. Ich denke, die Wunde wird in ein paar Tagen heilen“, antwortete Theresa.
„Ich lasse Salbe gegen Verbrennungen holen.“
Theresa spürte, wie ihre Augen feucht wurden. Nach all den Jahren, in denen sie Alexander geliebt hatte, schien ihre Zuneigung endlich ein wenig erwidert zu werden.
Doch Theresa blieb klar bei Verstand. Sie wusste genau, dass Alexander sie nicht liebte.
Alexander nahm die Salbe und begann, die Wunde auf Theresas Hand zu behandeln. Als sie sah, wie Alexander vor ihr kniete, kam in ihr ein seltsames Gefühl auf, als wäre es tatsächlich möglich, dass sie irgendwann die Frau sein könnte, die Alexander verwöhnt.
Es schien fast, als bräuchte es nur eine kleine Verletzung, damit Alexander sie länger ansah.
Theresa hatte sogar einen absurden Gedanken:
„Ich bin sieben Jahre bei Alexander geblieben, habe ihn jeden Tag sorgfältig umsorgt, und doch schenkt mir diese kleine Verletzung mehr Aufmerksamkeit von ihm als alles andere. Vielleicht hat sich die Verletzung sogar gelohnt.“
Eine Träne lief ihr über die Wange und fiel direkt auf Alexanders Handrücken.
Alexander hob den Blick. Seine Augen trafen auf Theresas feuchte, glänzende Augen. Zum ersten Mal sah er sie vor sich mit einer derart sichtbaren Emotion.
„Warum weinst du? Habe ich dir wehgetan?“ fragte er.
Theresa bemerkte, dass ihre Gefühle sie überwältigten und sie sich selbst nicht wiedererkannte:
„Meine Wunde tut nicht weh. Meine Augen sind nur ein bisschen gereizt. Herr Alexander, es wird nicht wieder vorkommen.“
Alexander hatte diese Worte schon unzählige Male von Theresa gehört, und sie begannen ihn zu ermüden. Er runzelte die Stirn und sagte:
„Wir sind zu Hause, nicht im Büro. Du musst nicht jeden Tag so förmlich vor mir auftreten. Hier kannst du meinen Namen nennen.“
Doch diese sieben Jahre waren für Theresa immer gleich verlaufen.
Im Büro war sie eine perfekte Sekretärin.
Zu Hause, wo sie den Namen Frau Schmidt trug, machte sie nichts anderes als das, was von einer Sekretärin erwartet wurde.
Theresa sah Alexander an, das Gesicht, das sie all die Jahre geliebt hatte. Doch Gefühle, die keine Erwiderung finden, machen schließlich müde. Nach kurzem Zögern sprach sie aus, was sie auf dem Herzen hatte:
„Alexander, wann gehen wir, um...“
Alexander zog Theresa plötzlich in seine Arme.
Sie erstarrte. Ihr Kopf lehnte gegen seine Schulter, und sie brachte kein einziges Wort mehr heraus.
Mit einem ernsten Gesichtsausdruck sagte Alexander:
„Ich bin heute müde. Was auch immer du sagen willst, verschieben wir es auf morgen.“
Theresa blieb nichts anderes übrig, als das Thema ruhen zu lassen.
Theresa lag auf dem Bett und spürte, dass Alexander sich verändert hatte. Sein Körper drückte sich dicht an ihren, und die Hitze, die von ihm ausging, war deutlich spürbar.
Alexanders Hand legte sich um Theresas Taille, und der kühle, fast wie Zypressen wirkende Duft, der ihn umgab, vermittelte ihr ein Gefühl von Sicherheit. Seine große Hand ruhte auf ihrem Unterbauch, was Theresa dazu brachte, sich leicht zusammenzukauern. Gleichzeitig spürte sie seinen warmen Atem an ihrem Ohr: „Kitzelt es dich?“
Theresa senkte den Blick: „Ich bin es nicht gewohnt.“
Auf diese Worte hin wurde Alexander noch entschlossener. Er zog Theresa mit beiden Armen fest an sich: „Dann gewöhn dich daran. Irgendwann wird es für dich ganz normal sein.“
Theresa lehnte sich an ihn, während die Hitze seines Atems ihre Wangen leicht erröten ließ. Sie hob den Kopf und fragte sich: „Kann unsere Ehe sich noch zum Guten wenden?“
Tief in ihrem Inneren wünschte sich Theresa, in einer anderen Rolle zu sein.
„Alexander, wenn es möglich ist, könnte ich vielleicht…“ begann Theresa.
Doch in diesem Moment klingelte Alexanders Telefon. Seine Aufmerksamkeit war sofort auf das Gerät gerichtet, und Theresa blieb stumm.
„Könnte ich vielleicht als deine Frau an deiner Seite stehen, statt immer nur als deine Sekretärin wahrgenommen zu werden?“ dachte sie bei sich. Doch dieser Gedanke verflog in einem Augenblick, als sie den Namen Stephanie auf dem Bildschirm seines Telefons sah.
Die Kühle kehrte in ihre Gedanken zurück. Alexander nahm das Handy in die Hand, sein Gesichtsausdruck wurde wieder neutral. Er löste seinen Griff um Theresa, setzte sich auf und schien ihre Worte nicht einmal wahrgenommen zu haben.
„Hallo“, sagte er knapp, während er aufstand.
Theresa beobachtete, wie Alexanders Gesicht sich verhärtete. Er verließ das Bett und ging an ihr vorbei aus dem Schlafzimmer, um das Gespräch mit Stephanie anzunehmen.
Theresas Herz wurde schwer. Ein spöttisches Lächeln umspielte ihre Lippen.
„Theresa, wie kannst du solche Illusionen hegen? Alexanders Herz gehört Stephanie. Zwischen dir und ihm wird es keine Gefühle geben, das hat er dir doch schon vor drei Jahren bei eurer Hochzeit gesagt.“
Theresa hob den Kopf, doch warum auch immer, ihre Augen füllten sich immer mehr mit Tränen. Sie schloss die Augen, entschlossen, nicht länger wegen Alexander zu weinen.
Alexander wusste es nicht, aber seitdem Theresa erfahren hatte, dass er eine andere Frau in seinem Herzen trug, hatte sie immer nur heimlich wegen ihm geweint, niemals vor seinen Augen.
Theresa war sich ihrer Rolle genau bewusst: Sie war nichts weiter als Alexanders Sekretärin.
Nachdem Alexander das Telefonat beendet hatte, kam er zurück ins Schlafzimmer. Er bemerkte, dass Theresa noch wach war, und sagte beiläufig: „Es gibt ein Problem in der Firma. Ich muss noch einmal ins Büro. Ruh dich aus.“
Theresa sah ihn nicht an. Sie wollte nicht, dass Alexander ihre verletzliche Seite sah. „Ich weiß. Geh ruhig, ich werde morgen pünktlich im Büro sein.“
„Gut.“
Alexander nickte, griff nach seiner Jacke und verließ den Raum.
Als Theresa den Motor seines Autos hörte und den Klang langsam in der Ferne verklingen spürte, fühlte sie, wie ihr Herz zu zerreißen schien.
Die ganze Nacht über fand sie kaum Schlaf.
Am nächsten Morgen musste Theresa trotzdem zur Arbeit.
Sie kam früh ins Büro, als nur wenige Kollegen da waren, und begann wie gewohnt, ihre Aufgaben zu erledigen. Sie organisierte Alexanders Arbeit mit der gewohnten Sorgfalt und Präzision.
Doch Alexander tauchte an diesem Tag nicht im Büro auf.
Theresa rief ihn mehrmals an, aber sein Handy war stets ausgeschaltet.
Julia, die Assistentin, wirkte besorgt. „Miss Theresa, Herr Alexander ist heute nicht im Büro, und wir wissen nicht, wo er ist. Die Inspektion auf der Baustelle kann nur von Ihnen übernommen werden.“
Theresa, als Alexanders Sekretärin, war in fast alle Arbeitsabläufe der Firma eingebunden. Sie war auch mit diesem Projekt bestens vertraut.
Nach einem letzten erfolglosen Anruf gab Theresa auf, Alexander zu erreichen.
Plötzlich erinnerte sie sich an den Anruf von letzter Nacht, der Name auf dem Bildschirm war Stephanie gewesen.
Alexander war nicht ins Büro gekommen, vermutlich, weil er sich mit Stephanie getroffen hatte.
Theresa unterdrückte die Bitterkeit in ihrem Herzen: „Dann warten wir nicht auf Herrn Alexander. Wir fahren zur Baustelle.“
Draußen brannte die Sonne unerbittlich, und die Temperaturen waren hoch. Theresa erreichte die Baustelle.
Das Gebäude, das dort errichtet wurde, war noch im Rohbau, kaum mehr als ein Gerüst. Der Ort war chaotisch, überall lagen Staub, Stahlträger und andere Baumaterialien. Maschinen dröhnten laut und störten jedes Gespräch.
Theresa war bereits einige Male auf der Baustelle gewesen und kannte das Projekt gut. Sie führte routiniert die notwendigen Kontrollen durch.
Plötzlich schrie jemand: „Achtung!“
Theresa blickte reflexartig nach oben, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie eine Glasscheibe direkt auf sie herabstürzte...