Kapitel 6
Sie öffnete die Tür, stieg aus und drehte sich um, um den Rückweg anzutreten. Der schwarze Maybach blieb noch einen Moment stehen, fuhr dann aber in entgegengesetzter Richtung davon.

Im Auto betrachtete Philipp das immer kleiner werdende Bild von Mia im Rückspiegel, während sich in ihm eine Welle der Unruhe aufbaute. Er verstand nicht, warum Mia, die sonst so sanft war, sich diesmal so stur verhielt. Er hatte sich schon einmal herabgelassen, war aktiv auf sie zugegangen, und sie wollte trotzdem die Scheidung.

Aber jetzt war es wichtiger, nach Sophie zu sehen. Später würde er sich die Zeit nehmen, in Ruhe mit Mia zu reden.

Mia war etwa hundert Meter zurückgegangen, als ihr Handy klingelte - es war ein Anruf von Stefan.

„Mia, wo bist du gerade?“

Als sie die Sorge in seiner Stimme hörte, wurde ihr ganz warm ums Herz.

„Ich bin am Hang, auf dem Rückweg.“

„Und Herr Huber?“

In ihren Augen war keine Regung zu sehen, ihr Gesichtsausdruck blieb ruhig, als sie antwortete: „Er ist weg.“

„Er hat dich also mitten in der Nacht allein am Hang stehen lassen?! Ich komme gleich, warte fünf Minuten!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, legte Stefan auf.

Mia steckte das Handy ein und wartete ruhig auf Stefan.

Als er kam, stand sie am Straßenrand und trat gelangweilt einen kleinen Stein hin und her. Als sie ein Motorengeräusch hört, schaut sie auf und sieht, wie Stefans Auto direkt vor ihr zum Stehen kommt.

Er öffnete die Tür und stieg aus. Erst als er sah, dass es ihr gut ging, atmete er erleichtert auf. Schnell ging er zu ihr und öffnete die Beifahrertür.

„Mia, steig ein.“

Als Mia seinen fürsorglichen Blick sah, musste sie lächeln und neckte ihn: „Kein Wunder, dass so viele Mädchen sagen, sie wollen deine Freundin werden. Du bist wirklich ein echter Gentleman.“

Stefan grinste schief: „Und du? Hältst du mich für einen guten Freund?“

Als sie seinen entspannten Gesichtsausdruck sah, wusste sie, dass er scherzte. Sie nickte mit einem amüsierten Lächeln: „Sehr gut. Wenn du mein Freund wärst, hättest du sicher einen vollen Freundschaftspunkt.“

Ein Hauch von Melancholie flackerte in Stefans Augen, aber er behielt sein Lächeln bei und sagte: „Schade, dass der, den ich mag, mich nicht mag.“

Mia klopfte ihm sanft auf die Schulter und tröstete ihn: „So ein Zufall, die Person, die ich mag, mag mich auch nicht.“

Stefan musste lachen und den Kopf schütteln. „Deine Art zu trösten ist wirklich schlecht, jetzt fühle ich mich irgendwie noch schlechter.“

„So, genug gejammert, lass uns schnell nach Hause fahren. Morgen muss ich wieder arbeiten.“

Stefan zog eine Augenbraue hoch. „Kommst du zurück und wirst meine Managerin?“

„So weit würde ich nicht gehen. Außerdem hast du ja schon eine Managerin. Selbst wenn ich zurückkomme, kann ich niemanden mehr managen, dich schon gar nicht.“

Stefan lachte und sagte nichts mehr.

Als sie in der Villa ankamen, war der Kaffee längst kalt und Mia hatte auch keinen Appetit mehr darauf. Sie wünschte Stefan eine gute Nacht und ging auf ihr Zimmer.

Am nächsten Morgen, nachdem Mia aufgestanden war und sich frisch gemacht hatte, ging sie die Treppe hinunter und sah, dass Tina schon im Wohnzimmer auf sie wartete. Schnell lief sie nach unten.

„Würden Sie vielleicht darüber nachdenken, mir noch einen Tag frei zu geben?“

Tina lachte kalt, wie ein Monster, das gleich zubeißen würde, und warf ihr einen Stapel Akten direkt in die Arme.

„Sprich nicht, die Alten haben MY fast zerstört, seit du die letzten drei Jahre nicht da warst. Sie haben ihre ganze Verwandtschaft in die Firma gesteckt - nur Schmarotzer, die ständig Geld kassieren, aber nichts arbeiten! Wenn du nicht zurückkommst, geht die Firma früher oder später pleite!“

Mia seufzte nur. „...“

Auf dem Weg zur Firma konnte Tina ihre Neugier nicht mehr zügeln.

„Übrigens, als ich heute Morgen bei dir war, habe ich den frischgebackenen Filmkaiser Stefan bei dir gesehen. Du hast dich gerade erst von Philipp scheiden lassen und fängst jetzt an, den Filmkaiser zu unterstützen?“, fragte sie.

Mia blickte von den Akten auf und sah sie ernst an. „Erstens ist er nur ein guter Freund von mir. Zweitens habe ich mich noch nicht von Philipp scheiden lassen, er ist also noch nicht mein Ex-Mann.“

Ein Ausdruck der Verwunderung blitzte in Tinas Augen auf. „Du hast dich also noch nicht von Philipp scheiden lassen und unterstützt schon den Filmkaiser? Wie aufregend!“

Mia antwortete nur mit einem Blick und fragte dann trocken: „Hast du damals in der Schule überhaupt eine gute Note in Deutsch bekommen?“

Tina hob das Kinn: „Klar, ich war immer die Klassenbeste.“

„Warst du die Einzige in der Klasse?“

Tina: „Mia, du hältst besser den Mund!“

Mia sagte nichts mehr und schaute wieder in die Mappe.

Kaum hatte sie weitergelesen, klingelte plötzlich ihr Handy.

Als sie die unbekannte Nummer sah, blitzte Verwunderung in ihren Augen auf.

Kaum hatte sie den Anruf angenommen, hörte sie Philipps zähneknirschende Stimme.

„Mia, nimm meine Nummer von der schwarzen Liste!“

Mia legte auf, schaltete das Handy aus und warf es Tina zu. „Gib mir bitte ein neues Handy und sperr das hier.“

Tina dachte an das, was Mia ihr gerade entgegengeschleudert hatte und erwiderte sarkastisch: „Ich bin doch nicht deine Sekretärin! Such dir doch deine eigene Sekretärin!“

Mia klappte die Mappe zu und zog eine Augenbraue hoch. „Na gut, wenn MY sowieso nicht mehr zu retten ist, können wir ja gleich Insolvenz beantragen.“

„Nein, nein, nein! Entschuldige, du hast recht! Ich kümmere mich sofort darum!“

Mia betrachtete sein unterwürfiges Verhalten und konnte nicht umhin, die Augenbrauen zu heben. „Ich hab doch nur Spaß gemacht, nimm das nicht so ernst.“

Tina: „...“

Als sie bei MY ankamen, berief Mia als Erstes eine Gesellschafterversammlung ein.

Eine Stunde später verließen die sonst so selbstbewusst und arrogant auftretenden Gesellschafter nach und nach den Raum, die Gesichter bleich vor Wut, die Augen voller Zorn.

Bald saßen nur noch Tina und Mia im Besprechungsraum.

Tina zeigte Mia den Daumen nach oben und sagte bewundernd: „Frau Klein, Sie sind wirklich noch in Topform! Ich war total beeindruckt, wie Sie die alten Herren gerade in Verlegenheit gebracht haben. So geschlagen habe ich die noch nie gesehen.“

Mia warf ihr einen kühlen Blick zu und sagte mit ausdrucksloser Miene: „Stellen Sie sofort die Liste der anderen Gesellschafter zusammen und bringen Sie mir die Personalliste von MY. Ab morgen beginnen wir mit den Entlassungen.“

In Tinas Augen blitzte für einen Moment Erstaunen auf. „So schnell? Diese alten Leute haben gerade heute eine Niederlage erlitten, sie sind noch aufgebracht. Wenn du jetzt ihre Leute ins Visier nimmst, wird das sicher ihren Unmut erregen.“

„Wer ein Problem hat, soll in mein Büro kommen.“

Nach diesem Satz steht Mia auf und verlässt ohne zu zögern den Raum. Sie hatte nun eine klare Vorstellung von den Problemen von MY. Wenn sie nicht schnell handelte, würde MY wahrscheinlich nicht bis zum nächsten Jahr überleben und die Insolvenz wäre unvermeidlich.

Als sie nach drei Jahren wieder in ihr Büro zurückkehrte, hatte Mia kaum Zeit, über ihre Erinnerungen nachzudenken. Sie machte sich sofort an die Arbeit.

Weniger als eine Stunde später verbreitete sich die Nachricht von der Rückkehr der MY-Gründerin im gesamten Geschäftsviertel von Rosenburg.

Dabei war Mia zuvor nie in der Öffentlichkeit in Erscheinung getreten und für die Außenwelt eine geheimnisvolle Gestalt. Alle spekulierten, ob ihre Rückkehr nun dazu diene, MY vor dem drohenden Konkurs zu retten.

Im Büro des Präsidenten der Huber Gruppe.

Philipp versuchte immer noch, Mia zu erreichen, doch ständig wurde ihm „AUSGESCHALTET“ angezeigt, was seine Geduld langsam auf die Probe stellte.

Leo betrat gerade das Büro und spürte sofort die eisige Kälte, die den Raum erfüllte. Fast unbewusst wurde er etwas leiser.

„Herr Präsident, unser Plan, MY zu übernehmen, muss wohl vorerst auf Eis gelegt werden. Ich habe gehört, dass die Gründerin von MY heute zurückgekehrt ist.“

Philipp runzelte die Stirn und sagte abwesend: „Der Übernahmeplan geht weiter und wir legen noch mal eine Milliarde drauf.“

„Die Gründerin von MY hat MY damals plötzlich aus der Taufe gehoben und sich dann schnell wieder zurückgezogen. Ihre Rückkehr dürfte darauf abzielen, MY zu retten. Wenn es um eine Übernahme geht, ist MY wahrscheinlich nicht die beste Wahl.“

Philipps Gesicht war kalt, als er sagte: „Setzt die Übernahme fort. Wenn das Geld nicht reicht, erhöht es. Ich will das nicht zum dritten Mal sagen! Und außerdem: Schickt jemanden, der vor Stefans Villa wartet. Sobald Mia auftaucht, gebt mir sofort Bescheid.“

„Verstanden, Herr Präsident.“

Leo beobachtete die Unruhe in Philipps Gesicht und spürte ein seltsames Gefühl in sich aufsteigen. Offensichtlich war er genervt, doch eine Frage blieb in ihrem Kopf: Warum ließ sich Philipp nicht von Mia scheiden und heiratete stattdessen Sophie, obwohl er sie doch immer geliebt hatte?

Aber das war Philipps Privatangelegenheit, da durfte sie sich nicht einmischen. Sie konnte nur seinen Befehlen folgen.

„Übrigens, Herr Präsident, die ‚Träne des Engels‘, die Sie vorhin in Seattle ersteigert haben, ist eingetroffen. Möchten Sie sie Frau Klein Leo persönlich überreichen?“

Die ‚Träne des Engels‘ war eine Halskette, deren Hauptstein ein tropfenförmiger blauer Edelstein war, umgeben von Tausenden kleiner Diamanten, die im Licht funkelten und eine unvergleichliche Schönheit ausstrahlten. Als Philipp sie zum ersten Mal sah, war er sofort überzeugt, dass diese Kette perfekt zu Mia passte. Er hatte sie sofort ersteigert und als Geschenk für ihren dritten Hochzeitstag geplant. Doch nach dem Streit mit Mia hatte er den Plan aus den Augen verloren.

Er biss die Lippen zusammen und sagte mit unbewegter Miene: „Gib sie mir. Ich werde sie ihr selbst überreichen.“

Nachdem Leo die „Träne des Engels“ in Philipps Schreibtisch gelegt hatte, verließ sie das Büro. Philipp nahm eine Akte in die Hand, doch er konnte sich nicht auf den Inhalt konzentrieren. In seinem Kopf war nur noch das Bild von Mia, wie sie am Abend zuvor entschlossen und ohne ein weiteres Wort gegangen war.

Frustriert, klappte er die Akte zu. Das Gefühl der Kontrolllosigkeit verunsicherte ihn.

Gerade als er aufstehen wollte, um frische Luft zu schnappen, klingelte sein Handy.
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